Faulfliegen

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EWoesner
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Faulfliegen

Beitrag von EWoesner »

Vorgeschichte und Schadbild:
Jahrelang hatte ich große Verluste an meinen Engelstrompeten durch mehrheitlich von unten her vermatschende Stengel. Eine Rettung der Pflanzen durch Stecklinge ist in den meisten Fällen nicht mehr erfolgreich, da offenbar schon genügend Bakterien im Pflanzensaft zirkulieren; die Stecklinge beginnen daher schnell, im Wasserglas zu verfaulen.
Ich habe an allen Schrauben gedreht, alle recherchierbaren Faktoren ausgeschlossen. Immer wieder habe ich es versucht und i.d.R. zehn (plus) Pflanzen gehabt. Mit der Zeit gingen die Verluste sehr ins Geld, vom zeitlichen Aufwand des Besorgens und der Pflege gar nicht zu reden. Und da gab es immer diese kleinen gelben bis bernsteinfarbenen Fliegen, die bei den dann bald sterbenden ETs anwesend waren. Ich habe das Internet durchgewälzt, Züchter gesprochen, Fachleute gesucht, keiner konnte mir helfen. Aber man kann sich ja auch bei den Behörden über mutmaßliche Schädlinge schlau machen – auch dort Staunen über meine ungewöhnliche Anfrage –, und da bekam ich den Tipp: Es könnte ich um Faulfliegen handeln.

Steckbrief:
Faulfliegen leben in Wäldern, z.T. im Unterholz; es gibt sehr viele heimische Arten. Diejenigen, um die es hier geht, lassen sich mit einer typischen Bildersuche »Faulfliegen« im Netz finden, die genaue Bestimmung ist selbst für den Fachmann schwierig und für den Anwender müßig. Die Farbe der fraglichen Fliegen variiert von Cremeweiß, wenn sie aus der Erde der betroffenen Pflanzen kommen, über Zitronengelb, und wenn sie älter werden, dunkeln sie über Sonnengelb zu einem immer dunkleren Bernsteingelb ab; schließlich finden auch Flecken auf den Flügeln älterer Exemplare. Soweit meine Beobachtung. Ein Fachmann würde bestimmt noch genauer differenzieren – evtl. auch nach Genus –, für den normalen Nutzer wird diese Beschreibung hinreichend sein.
Die Größe liegt etwa bei einer gewöhnlichen Stubenfliege, die jüngeren Fliegen sind etwas kleiner und pummeliger, die älteren werden schlanker und länger.
Auffallend ist, dass sie nie weit fliegen – faule Fliegen eben.
Sie treten meiner Erfahrung an verschiedenen Wohnorten typischerweise dort auf, wo die Engelstrompeten neben Büschen o.ä. mit etwas Unterholz stehen, fliegen aber durchaus auch mal von dort aus auf den Balkon. Und sie sitzen sehr gerne auf Engelstrompeten.

Überführung des Verdächtigen:
Die Larven habe ich leider nie nach dem Ausbuddeln an meinen Pflanzen gesehen. Es fehlt also das Ertappen auf frischer Tat. Aber meine längere Beobachtung bzw. Statistik sagt: Wo immer Pflanzen vermatschen oder gar engelstrompetentypischen Stängelbrand bekommen, sind sie nicht weit. Dieser "Prozess" ist also ein "Indizienverfahren" gegen den Angeklagten.
Ein Einwand seitens der "Verteidigung": Sie könnten auch als Folge des Vermatschens auftreten; schließlich leben ihre Larven in faulendem Holz.
Die Antwort des "Staatsanwalts": Effektive Gegenmaßnahmen gegen Faulfliegen beenden das Problem; die Empirie spricht gegen den Angeklagten. Es liegt der Schluss nahe, dass die adulten Exemplare die betroffenen Pflanzen unterirdisch anstechen, so dass sie von unten her verfaulen. Das Wachstum stockt, und alsbald bemerkt man den von unten her vermatschenden Stengel.

Gegenmaßnahmen:
Es hat sich keine natürliche Stärkung und keine chemische Maßnahme als Nützlich erwiesen; das Problem bestand durchgehend draußen in der warmen Jahreszeit wie im Winterquartier.
Als effektiv hat sich eine Kombination zweier Maßnahmen erwiesen – sowohl gegen Faulfliegen als auch gegen Trauermücken:

a) Passiv -> das Subrat:
Entgegen der häufigen Meinung, dass lockere Erde zum Atmen der Wurzeln sinnvoll sei, verdichte ich meine Erde, so dass weder Faulfliegen noch Trauermücken hindurchkommen. Vorneweg verzichte ich sowieso auf Torf und Kokos, weil das Trauermücken anzieht, und verwende Bioerde ohne diese Inhaltsstoffe. Dann füge ich Gesteinsmehl hinzu. Dieses muss von der Ausmahlstufe her recht fein sein; mit den typischen Mehlen aus dem Gartencenter bin ich unzufrieden, da zu grob. Stattdessen verwende ich eine Mischung aus Diabas Urgesteinsmehl (grau) und Lava Urgesteinsmehl (braun) – aber ohne organische Zusätze wie Cuxin, die wiederum diversen Fliegen anziehen! –, was sich ohne Probleme auf Ebay oder anderswo findet.

Dies mische ich unter das Substrat, vor allem unten am Topf wegen der Löcher und noch dringender oben, wo die Fliegen meistens versuchen, in die Erde zu kommen. Damit erzeuge ich eine geschlossene, mehrere Zentimeter dicke Schicht mit lehmartigem Charakter, eine Art Schutzschild. Sollte das Gesteinsmehl durch Gießen ausgespült werden und somit obenauf wieder zu lockeres, von Fliegen durchdringbares Substrat entstehen, gebe ich Gesteinsmehl nach. Es muss angefeuchtet werden, damit es nicht verweht.
Auch unterhalb dieses „Schildes“ verzichte ich nicht völlig auf Gesteinsmehl und habe selbst dort um die 30% Beimischung, da sich etwaige Fliegen nicht durch das Substrat wühlen dürfen, so wie ich es schon oft beobachtet habe. Oben und unten gibt es dann erheblich mehr Gesteinsmehl als in der Mitte dazu.

Besonders das graue Diabas-Mehl ist meiner Erfahrung nach gut geeignet, aber wegen der Ausgewogenheit der mineralischen, für die Pflanze verwertbaren Stoffe nehme ich eine Mischung von beiden mit zu ca. zwei Dritteln Diabas und einem Drittel Lava.
Besonders achte ich auf einen Schutz am Stamm, damit dort keine Fliege unterhalb der Oberfläche etwas anstechen kann. Bei gelegentlicher Lockerung durch Wind drücke ich – ganz nebenbei beim Gießen – das Substrat wieder an, so dass kein Spalt bleibt.

b) Aktiv -> Die Jagd mit der Sprühpistole:
Es muss kein Gift sein: Zwei Sprühflaschen wie man sie zum Einnebeln von Pflanzen kaufen kann, reichen. Eine mit (wegen der Abbaubarkeit:) Bio-Spülmittel im Wasser, eine mit normalem Wasser zum Nachspülen, um Blattschäden durch die Lauge zu vermeiden.

Typischerweise lassen sich diese Flaschen durch Drehen an der Düse stufenlos von weit (Sprühnebel) zu schmal (starker Strahl) verstellen. Man findet sie insbesondere zu Saisonbeginn überall günstig, wo es auch Pflanzenzubehör gibt. Wiederverwertete Sprühflaschen von Putzmitteln oder Deos sind nicht geeignet, weil sich nicht der gewünschte Strahl einstellen lässt. Bei einem Sprühnebel fliegt die Fliege einfach weg, und ein harter Strahl andererseits kann daneben gehen und außerdem noch das Blatt durchschlagen. Was man braucht, ist die Einstellung etwas oberhalb des harten Strahles mit nur leichter Streuung.

Damit nährt man sich der Fliege auf einen Meter oder weniger. Wenn sie noch nicht beunruhigt ist, kommt man auch auf 30cm und weniger heran. Dann Feuer frei, und die getroffene Fliege wird vom Strahl hinweggespritzt. Allerdings wird sie danach vielleicht einen halben Meter oder wenig mehr entfernt sitzen und sich putzen. Hier braucht es meist einen zweiten und sicherheitshalber einen dritten Treffer, nun gerne auch nebeliger, so dass sie richtig nass wird. So verendet sie schnell. Danach noch die Blätter mit der zweiten Flasche ohne Spüle saubersprühen. Fertig.

Es empfiehlt sich, diese beiden Flaschen stets griffbereit zu haben, so dass man sie beim Gießen, Inspizieren und Bewundern seiner Pflanzen gleich zur Hand hat. Ein bis zwei gezielte Patroullien am Tag reichen meiner Erfahrung nach, wenn man keine erhöhte Fliegendichte hat, d.h. nur gelegentliche Funde. Ich habe sowohl bei meinen Pflanzen am Balkon wie auch neben dem Haus ein Set Sprühflaschen.

Seither haben sich meine Verluste minimiert, und ich habe inzwischen wieder große, stattliche Engelstrompeten.
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Steffi
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Re: Faulfliegen

Beitrag von Steffi »

Bei den Brugmansien ist hier Monika Gottschalk unsere Fachfrau, sie kann Dir sicher weiterhelfen.

An meinen Pflanzen konnte ich diese Fliegen noch nicht feststellen.
Bild

Viele Grüße

Steffi
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Bäume begleiten uns ein Leben lang aber wir begleiten Bäume nur ein Stück ihres Weges
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Re: Faulfliegen

Beitrag von Monika Gottschalk »

Vielen Dank für den ausführlichen und informativen Artikel über diesen Schädling. Ich muß gestehen, daß dieser auch mir völlig unbekannt ist. Auch ich wohne in direkter Waldnähe, habe aber diese Fliege noch nie an meinen ET oder das beschriebene Schadbild gesehen.
Alle Menschen sind klug - die einen vorher, die anderen nachher. (Zitat: Voltaire)

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EWoesner
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Re: Faulfliegen

Beitrag von EWoesner »

Ich habe viele, viele Garten- und Brugmansien-Fachleute gefragt. Aber das Problem besteht ja auch nicht mehr; ich habe die Lage unter Kontrolle; es hat mich bloß ein paar Jahre gekostet. Ich schreibe das hier bloß, um anderen die Suche zu sparen bzw. um weitere mögliche Gründe für faulende Stecklinge oder ev-ev-evtl. die Übertragung von Stängelbrand (falls die Fliege weiter oben zu minieren versucht) aufzuzeigen.

Besonders empfindlich gegen das Minieren unter der Erde am Stamm sind Stecklinge, deren Schnittstelle unten noch nicht umwallt ist!!!
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